gedanken zu meiner aktfotografie

Andreas H. Bitesnich (österreichischer Akt-, Porträt und Reisefotograf, geb. 1964) drückt es treffend aus: "Der Fotograf ist der Filter durch den die Bilder müssen, bevor sie "geboren" werden." Gerade bei der künstlerischen Fotografie geht es also nicht einfach darum, die vermeintliche Realität naturgetreu zu dokumentieren, sondern ein Bild bewusst zu gestalten. Es ist immer der Fotograf, der das Bild kreiert. Es ist sein Wille und es entspricht seiner Persönlichkeit, wie das Bild gestaltet wird und welche Wirkung es seiner Meinung nach beim Betrachter haben soll. Diese Subjektivität verleiht einem Bild Charakter. Wir sprechen hier in formaler Hinsicht vom Bildstil und bezüglich der affektiven Wirkung von der Bildsprache des Fotografen. Die gleiche Subjektivität gilt nun aber auch für die Wahrnehmung des Betrachters. Oder anders ausgedrückt: "Wir sehen die Dinge nicht, wie sie sind. Wir sehen die Dinge, wie wir sind." (Weisheit aus der Antike).

Im Unterschied zur Landschaftsfotografie, bei welcher vorab die Wahl des Aufnahmestandortes und des Bildausschnitts sowie das Einfangen des Lichts – und allenfalls der Witterung – im richtigen Moment die Gestaltungsmittel der Wahl sind, fordert die Aktfotografie vom Fotografen eine sehr viel weitergehende Bildgestaltung. Ein nacktes Model allein macht noch kein Bild aus. Gerade darum bezeichnet mein Lehrer und freundschaftlich verbundener Mentor, Martin Zurmühle, die Aktfotografie als die Königsdisziplin der Fotografie. Nach seinem an die Kommunikationstheorie von Friedemann Schultz von Thun (deutscher Psychologe, geb. 1944) angelehnten Vier-Augen-Modell prägen folgende vier Dimensionen die Bildwirkung:

  • Das "Form-Auge" bietet einen visuellen Genuss.
  • Das "Erzähl-Auge" berichtet aus dem Leben.
  • Das "Gefühls-Auge" nimmt Emotionen wahr.
  • Das "Ich-Auge" zeigt die Sprache des Künstlers.

Wenn alle vier "Augen" angesprochen werden, wird das Bild beim Betrachter eine nachhaltige Wirkung erzielen und beim erneuten Betrachten immer wieder Freude bereiten.

Die jederzeitige Verfügbarkeit "nackter Tatsachen" in den Medien und über das Internet kann beim Betrachter zu einer Übersättigung führen. Für den Aktfotografen ist es daher essenziell, dass er nicht einfach nur nackte Körper ablichtet. Bei der klassischen Aktfotografie geht es im Gegensatz zur Erotikfotografie und Pornografie vielmehr darum, dass Nacktheit eben nicht zum Selbstzweck wird. Martin Zurmühle schreibt zur Faszination der Aktfotografie Folgendes:

"Das Besondere an Aktbildern liegt in ihrer Qualität, die einen Genuss für unsere Sinne bietet. So wie in der Musik eine schöne Melodie unsere Ohren erfreut, so verwöhnt ein gut gemachtes und wirkungsvolles Aktbild unsere Augen. So wie wir nie genug von schöner Musik bekommen, so verleiden uns schöne und fantasievolle Bilder nicht die Freude am Sehen. Dieser besondere Sehgenuss ist das eigentliche Ziel der Aktbilder."

Die Freiheit, aber auch die Pflicht zur kreativen Gestaltung des Bildes, macht für mich die Faszination der Akt­fotografie aus. Im Studio kommt hinzu, dass ich das Licht vollständig kontrollieren kann. Die Geduld des Models vorausgesetzt, lassen sich so auch Bilder schrittweise perfektionieren. Das Schaffen ausdruckstarker Aktbilder ist immer Teamwork und setzt grosses Vertrauen sowie eine gute Kommunikation zwischen Model und Fotograf voraus. Wenn das Model von der Shooting-Idee selbst begeistert ist und auch eigene Vorstellungen einbringen kann, entstehen zuweilen "nachhaltige" Bilder. Getreu dem Vier-Augen-Modell versuche ich den Betrachter über die Form, die Erzählung, die Gefühlsebene und mit meiner persönlichen Interpretation anzusprechen.

Meine Aktfotografie ist stark inspiriert durch das Werk von Andreas H. Bitesnich. Seine Handschrift mit den Kernelementen

  • Reduktion und Intensität
  • hohe Kontraste durch Lichtführung und Verdichtung
  • starke Betonung der Form

und die von ihm geschaffene skulpturale Aktfotografie verwandelt Modelle in fotografische Skulpturen und wendet dabei die gleiche Methode an, derer sich Bildhauer in ihrer Arbeit an einem Steinblock bedienen: all das wegzunehmen, was für die angestrebte Form nicht essenziell ist. Mit bedachter Zärtlichkeit führt er so nackte Menschen behutsam zu Posen von unglaublicher Würde. Seine Aktfotografie ist dadurch weitestgehend frei von erotischen Anklängen. Genau das ist es, was mich besonders anspricht.

Einfluss auf mein fotografisches Sehen üben selbstredend auch die Aktfotografien – und speziell die Landschaftsakte – von Martin Zurmühle aus. Von Haus aus Architekt versteht er es in einzigartiger Weise Form und Raum mit grosser Ästhetik zu gestalten. Die Einbettung schöner Frauenkörper in die Natur ist für mich als Akt- und Landschaftsfotograf eine besondere Freude und Herausforderung. Neben den skulpturalen Bildern begeistern mich auch schlichte, gefühlsbetonte Aktfotografien. In diesem Genre beeindrucken mich u.a. die Werke von René Groebli (Schweizer Fotograf, geb. 1927), Daniel Brändli (Schweizer Aktfotograf, geb. 1960), Andreas Jorns (deutscher Aktfotograf, geb. 1966) und Peter Lindbergh (deutscher Fotograf, 1944–2019).

Und: Neben der Beherrschung des fotografischen Handwerks ist für mich als Perfektionist auch die technische Qualität der Bilder wichtig. Mit professionellem Equipment und einer gefühlvollen Bildbearbeitung versuche ich stets das Beste aus den Fotografien herauszuholen.

Zu guter Letzt: Ich mag Fotografien, die der Phantasie etwas Raum lassen. Getreu der Ansicht von Ansel Adams (US-amerikanischer Fotograf, 1902–1984) "Ein echtes Foto muss nicht erklärt werden und kann auch nicht in Worte gefasst werden." überlasse ich die Aktbilder auf meiner Website kommentarlos dem Betrachter zu seinem persönlichen Sehgenuss.